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BLOG

und News

Der letzte Hygienestammtisch im März hatte unsere neue Internetseite als Gesprächsthema. Mit einem kleinen Exkurs durch unsere aktuellen Projekte und die neuen Features, die wir euch mit unserer neuen Internetseite zur Verfügung stellen, wollten wir euch auch Appetit auf mehr machen. Und eh wir uns versehen, haben wir Frühling, die Zeit wird umgestellt und der nächste Hygienestammtisch im April naht. Dieser wird sich um die rechtlichen Aspekte der Lebensmittelspenden und die Diskussion "Containern" drehen. Einen kleinen Einblick in die Vielfältigkeit dieses Themas möchten wir euch in diesem Blog geben. Damit ihr den Hygienestammtisch aber findet, hier die Einwahldaten:
Einwahllink: https://lecture.senfcall.de/seb-oc0-q1s-yhb (ohne vorheriger Anmeldung)
Wann: 04. April 2022 um 18:00 Uhr

Die Diskussion um Lebensmittelspenden ist in der öffentlichen Wahrnehmung immer sehr eng mit den Themen "Lebensmittelverschwendung" und "Lebensmittelrettung" in einem Zusammenhang gesehen. Beide Begriffe könnten ja auch als das Yin und Yan der Lebensmittelproduktion angesehen werden. Doch ob diese beiden Begriffe wirklich mit der Lebensmittelspende in einen Zusammenhang gesetzt werden sollten und welche zwei Standpunkte beim Thema Lebensmittelspende aufeinander prallen, dem wollen wir uns zum nächsten Stammtisch widmen. Als Diskussionsgrundlage darf aber gerne diese Ankündigung verwendet werden.

Auslöser für Lebensmittelspenden

Damit Lebensmittel gespendet oder nicht gespendet, dann also verschwendet werden können, müssen mehr Lebensmittel vorhanden sein, als benötigt werden. Verschiedene Quellen bedienen dafür verschiedene Zahlen, die oft aber pauschalisiert werden, also immer mit Vorsicht zu genießen sind. Diese Thema wurde auch schon in unserer Wissensdatenbank beschrieben, gerne hier auch noch einmal der Link zur Lebensmittelverschwendung, zur Überproduktion und zum Containern in unserer Wissensdatenbank. Sollten nicht mehr alle Hyperlinks in den einzelnen Beiträgen aktuell sein, bitten wir dies zu entschuldigen. Wie ihr an den Daten der Veröffentlichungen sehen könnt, beschäftigt sich der Fachkreis mit diesem Thema schon etwas länger.

Eine sehr häufige Zahl, die im Zusammenhang mit der Lebensmittelverschwendung genannt wird ist "30 %". In verschiedenen Artikeln wird diese Zahl unterschiedlich charakterisiert. Sie geht aber wahrscheinlich auf eine Veröffentlichung der UNO zurück, nach welcher der physiologische Energiegehalt aller in einem Jahr produzierten Lebensmittel um etwa 30 % höher liegt als der Energiebedarf der Menschheit in einem Jahr. Hierbei ist aber wirklich auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine statistische Zahl handelt, die sicherlich aus im Kontext "Ernährungssicherheit" ermittelt wurden ist. Betrachtet man die Lebensmittelproduktion etwas genauer, so sind aus meiner Sicht drei Einflussfaktoren rund um die Lebensmittelverschwendung zu ermitteln:

Lebensmittelspende

Zu jedem dieser drei Einflussfaktoren ließe sich ein eigener Stammtisch gestalten, in welchem  wir die Hintergründe der einzelnen Faktoren erarbeiten können. Für unser Thema am 4. April ist die Diskussion interessant, ob diese drei Faktoren wirklich einen Einfluss auf die Lebensmittelspende haben und wenn ja, wie sie gegebenenfalls auch positiv genutzt werden könnten.

Pro für Lebensmittelspenden/Containern

Ich möchte für die Pro- und Contra-Seite ohne Wertung die Lebensmittelspende und das Containern zusammenfassen. Natürlich ist dies fachlich nicht ganz richtig, doch vereinfacht es erst einmal die Zusammenfassung der Argumente. In Deutschland liegt das Durchschnittsnettoeinkommen bei etwa 25 T€ im Jahr. Der Hartz-4-Satz in Deutschland liegt bei etwa 10 T€ im Jahr. Dies betrifft etwa 3,5 Millionen Menschen in Deutschland (ohne Kinder). Wir können also davon ausgehen, dass etwa 5 Millionen Menschen in Deutschland mit nur 40% des Durchschnitteinkommens wirtschaffen müssen.

Es lässt sich auch in anderen Zahlen darstellen. Wenn eine vierköpfige Familie beim Lebensmitteleinkauf nicht auf das Geld schauen muss, aber auch nicht massiv Produkte aus dem höherpreisigen Segment kauft, werden pro Monat etwa 800 Euro nur für Lebensmittel aufgewendet. Das entspricht bei einer vierköpfigen Familie im Hatz-4-Satz etwa 55% des Monatseinkommens. Gleichzeitig stehen gerade in Deutschland Lebensmittel im Überfluss zur Verfügung, die nicht genutzt werden. Nicht genutzte Lebensmittel wiederrum stellen eine hohe Belastung für die Umwelt dar. Die Lebensmittelproduktion wird ja als "Veredlung" bezeichnet. Bei der Veredlung geht es jedoch vor allem darum, die für den menschlichen Körper schwer resorbieren Nahrungsmittelbestandteile so zu verändern, dass sie leicht resorbierbar sind und eine deutlich höhere Energiedichte aufweisen als ihre Ausgangsstoffe. Dafür werden nicht nur zusätzlich Ressourcen (Energie, Betriebsmittel, Arbeitskraft) aufgewendet, die bei einer Nicht-Nutzung verloren sind. Die aufbereitete Lebensmittel stellen bei der Entsorgung auf Grund ihrer Konzentration leicht resorbierbarer Komponenten und Energie auch ein Problem bei der Entsorgung dar. Das heißt, auch hierbei müssen erneut Ressourcen aufgewendet werden, um eine Neutralisation sicherstellen zu können. Eine Umverteilung ist aus diesen Komponenten nur naheliegend.

Contra für Lebensmittelspenden/Containern

Lebensmittel sind in der Regel aufbereitete, also veredelte Nahrungsmittel. Wie schon beschrieben, beinhaltet die Veredlung eine leichtere Resorbierbarkeit des Lebensmittels sowie eine deutliche höhere Energiedichte als die Ausgangsstoffe. Dies gilt nicht nur für den Menschen, sondern insbesondere für Mikroorganismen, die auf den Lebensmitteln natürlicherweise vorkommen. Einige dieser Mikroorganismen sind Verderbniserreger, sie konsumieren also schneller als wir. Andere sind jedoch humanpathogen. Sie bilden entweder auf dem Lebensmittel für den Menschen giftige Substanzen oder können nach der Aufnahme die Magenbarriere überwinden produzieren im Darmbereich Toxine, die uns direkt schaden können oder Substanzen, die unsere Darmflora durcheinander bringen. Die Folge sind Lebensmittevergiftungen. Dabei ist aber zu unterscheiden, wie stark aufbereitet ein Lebensmittel ist. Von einem Apfel geht ein anderes Gefahrenpotential aus, als von frischem Hackfleisch. Dies zeigt sich auch in der Gesetzgebung. Die meisten hoch veredelten Lebensmittel sind tierischen Ursprungs, weshalb es neben der Hygieneverordnung 0852/2004 auch die  0853/2004, spezifische Hygieneregeln für Lebensmittel tierischen Ursprungs gibt. Das diese Unterscheidung in Zeiten von Falafel, Tofu und veganer Teewurst nicht mehr zeitgemäß ist, kann sicherlich einmal in einem anderen Stammtisch besprochen werden. 

Lebensmittelunternehmer tragen daher eine hohe Verantwortung für ihre Produkte und stehen für negative Folgen gerade. Das Problem dabei ist jedoch, dass der Unternehmer für sein Produkt auch noch haftet, wenn es bereits in der Kette weitergereicht wurde. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, haben Lebensmittelunternehmer verpflichtend "... ein oder mehrere ständige Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, einzurichten, durchzuführen und aufrechtzuerhalten ...". Diese Verfahren sind Risikoanalysen, mit welchen die Entwicklung und das steigende Gefahrenpotential eines Lebensmittels vorhergesagt werden kann. Dadurch kann der Lebensmittelunternehmer während der Produktion Vorbeugemaßnahmen ergreifen, die eben dieses Ansteigen des Gefährdungspotentials verzögern. Alternativ können auch bestimmte Handhabungsbedingungen (z.B. überwachte Kühlung bis zum Endverbraucher) festgelegt werden. Zuverlässig funktionieren kann diese Methodik aber nur, wenn bei der Erstellung der Analyse ein "vorhersehbarer Gebrauch" festgelegt wurde. Fehlt dieser oder wird mit dem Lebensmittel anders oder länger umgegangen als beabsichtigt, ist das Ergebnis der Analyse unzureichend. Hier greift das erste Argument gegen Lebensmittespenden/Containern. Der vorhersehbare Gebrauch ist oft nicht mehr sichergestellt. Ein Essen in der Gastronomie wird beispielsweise in der Regel zum "sofortigen Verzehr" konzipiert. Lasse ich es mir Einpacken, verändert sich der Zeitpunkt des Konsums deutlich.

Des Weiteren verpflichtet das EU-Recht jeden Lebensmittelunternehmer zur Rückverfolgbarkeit. "Die Lebensmittelunternehmer richten Systeme und Verfahren zur Feststellung der anderen Unternehmen ein, an die ihre Erzeugnisse geliefert worden sind." Kann dies bei Lebensmittelspenden/Containern noch sichergestellt werden?

EU-Recht für Lebensmittelspenden

Beide Standpunkte sind natürlich fokussiert dargestellt. Das europäische Parlament hat sich diesem Thema bereits angenommen. In der Verordnung 2021/0382 wurden Regelungen zu Lebensmittelspenden geschaffen, die eine Erleichterung darstellen sollen. Dabei ging das EU-Kommission dass es für die Umsetzung der Strategie "Vom Hof auf den Tisch", die einen wichtigen Baustein des "green Deals" darstellt, auch das Thema Lebensmittelverschwendung angegangen werden muss. Die Basis für diese Regelungen stellt ein wissenschaftliches Gutachten von 2018 dar, welches zusätzliche Hygienevorschriften für notwendig erachtet. Doch was wird nun im Detail geregelt:

1. Lebensmittelunternehmer dürfen Lebensmittel umverteilen, wenn diese
- nicht gesundheitsschädlich und für den menschlichen Verzehr geeignet sind.

Diskussionspunkt 1. Auf wen entfällt die Informationserlangungspflicht bezüglich des Lebensmittels bei der Umverteilung. Auf den Erhaltenden oder den Angebenden?
- bei Produkten mit Verbrauchsdatum vor dem Verbrauchsdatum,

Diskussionspunkt 2: Unverpackte Lebensmittel aus dem Restaurant sind klassischerweise zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt, in der Regel also am Abgabetag. Dürfen diese umverteilt werden?
- bei Lebensmittel mit MHD vor und nach selbigen
- bei Lebensmittel ohne MHD jederzeit

2. Lebensmittelunternehmer haben bei der Umverteilung das Lebensmittel mindestens auf folgende Punkte zu bewerten:
- MHD oder Verbrauchsdatum, wobei die verbleibenden Haltbarkeitsdauer für die Verwendung des Lebensmittels durch den Endverbraucher ausreichen muss. 

Diskussionspunkt 3: Ein MHD stellt eine Information für den Verbraucher dar. Bei umverteilte Lebensmitteln nach dem MHD fehlt diese Information. Wie kann die beschriebene Anforderung umgesetzt werden?
- gegebenenfalls die Unversehrtheit der Verpackung
- die ordnungsgemäßen Lager- und Transportbedingungen

Diskussionspunkt 4: Bei "losen Lebensmitteln" werden die Informationen zu den Transport- und Lagerbedingungen auf dem Lieferschein oder einem begleitenden Dokument (Spezifikation) beschrieben. Kann ein Empfänger unter diesem Gesichtspunkt überhaupt eine Empfangsbestätigung als Lieferscheinersatz für den Angebenden ausstellen?
- gegebenenfalls Datum des Einfrierens
- organoleptische Bedingungen
- Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit bei tierischen Lebensmitteln gemäß VO 0931/2011 zur Rückverfolgbarkeit tierischer Lebensmittel

Diskussionpunkt 5: Für diesen Punkt füge ich nur einige kurze Auszüge aus der Verordnung auf:
"(1) Lebensmittelunternehmer stellen sicher, dass ... folgende Informationen ... zur Verfügung gestellt werden:
a) eine genaue Beschreibung des Lebensmittels,
...
g) Referenz zur Identifizierung der Partie ...
(3) Die in Absatz 1 aufgeführten Informationen werden täglich aktualisiert ..."

Wenn ihr Lust habt, mitzudiskutieren, freuen wir uns, euch bei unserem Stammtisch zu sehen.

Bildquelle: shutterstock / 1692488662

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